Am Abend des 18. Oktober 2012 fand im Club der Altkalksburger erneut eine Veranstaltung statt, die viele wie ein Magnet anzog: P. Iwan Sokolowsky SJ (Präfekt in Kalksburg 1963-66; auch unser Präsident Hans Hammerschmied zählte zu seinen Zöglingen) hielt die etwa 60-70 Personen über die Dauer einer Stunde hinaus mit seinen Darlegungen im Bann. Es ging um das Thema „Wie sieht der Islam das Christentum?“ In übersichtlichen Schritten legte der Pater dar:
1. Wie sieht der Koran das Christentum?
2. Wie sieht die Scharia das Christentum?
3. Wie wurde das geschichtlich umgesetzt?
4. Wie steht es heute?
In leicht verständlicher Weise und in aller Kürze wurden die Begriffe und ihre Inhalte erklärt: Koran (eine Sammlung von Predigttexten des Propheten Mohammed), Sunna (Aussprüche des Propheten aus mündlicher Überlieferung), Scharia (rechtliche Zusammenfassung dessen, was für Muslime wichtig ist), Mansuch (Abrogation von widersprüchlichen Texten), Islam und andere. Die Inhalte wurden in ihrer historischen Entwicklung aufgezeigt. Da sie, laut P. Sokolowsky, manches in sich Widersprüchliche beinhalten, bedarf es der Klärung, die durch die verschiedenen Schulen bald strenger, bald konzilianter ausfällt und in ihrer Ambivalenz auch von jedem einzelnen mal so, mal so gehandhabt wird. Hierin liegt eine große Problematik und Unsicherheit für jeden, der sich mit Muslimen auseinandersetzt oder gar Verträge mit ihnen schließt. Es ist dadurch kaum möglich, Muslime wirklich zur Rede zu stellen, sie sozusagen beim Wort zu nehmen.
Was der Islam vom Christentum denkt? In Zeiten, in denen die Moslems auf die Christen (ob ihres wissenschaftlichen Vorsprungs etwa) angewiesen waren, so P. Sokolowsky, verhielten sie sich ganz anders zu ihnen als sonst. Mohammed selbst sah sich als Erneuerer des Christentums. Vor allem die Dogmen der Christen bezeichnete er als Quellen von Streit und lehnte sie deshalb ab. Daran entzündete sich die entschiedene Absage von Seiten der Christen. Vor allem das Gottes- und Menschenverständnis ist zwischen den beiden Religionen grundverschieden. Nach Ansicht des Islam ist der Ewige die absolute Gerechtigkeit. Liebe hingegen ist nur ein Sentiment, was es in Gott nicht geben kann. Die Ansichten über ‚Gerechtigkeit‘ sind in den beiden Religionen, so hörten wir, sehr verschieden. Von Allah ist zwar auch zu lesen, dass er barmherzig sei, Gerechtigkeit verlange aber meist entschiedene, ja erbitterte Härte. Nach Jesus fordert Gerechtigkeit, so zu leben, dass sich niemand fürchten muss. Bezüglich des Dschihad (heiliger Krieg gegen die Ungläubigen) ist die Frage grundlegend, wie man mit Andersdenkenden umgeht. Die Antwort kann sehr verschieden ausfallen. Am liebsten sahen Moslems die Christen als ihre Diener oder als Mitstreiter in ihren kriegerischen Handlungen. Die militärische Schlagkraft war dem Islam stets von großer Wichtigkeit.
Heute wird das Christentum oft mit dem Westen gleichgesetzt, so der Vortragende. Von daher kommt alle Verderbnis. So ist insbesondere Demokratie als etwas Westliches zu bekämpfen. Selbst Terrorismus wird als eine Form gesehen, sich für die Gerechtigkeit einzusetzen. Wohlwollende Moslems wollen Frieden, sind aber „schweigende Mehrheit“. Auch der Umgang mit Fehlern ist in den beiden Religionen unterschiedlich: Christen können bereuen, für Moslems gibt es nichts zu bereuen, da all ihr Tun der Ergebenheit in GottesWillen entspringt.
Was unser Verhalten gegenüber dem Islam angeht, führte P. Sokolowsky aus, dass es darauf ankommt, vom eigenen Glauben und den christlichen Werthaltungen mit Stolz überzeugt zu sein. Das würden Moslems am ehesten respektieren.
Die anschließende Stellung und Beantwortung von Fragen aus dem Auditorium zeigte, dass so mancher durchaus kundige Zuhörer mit dabei war, aber auch mit welcher Kompetenz P. Iwan zu antworten wusste. – Ein für alle lohnender Abend!
P. Michael Zacherl SJ (MJ55)