Es ist nicht leicht sachlich über eine Veranstaltung zu schreiben, deren Thema einen Lebensbereich berührt, der für viele Menschen einen der zentralen, wenn nicht sogar den zentralen Aspekt ihrer Identität ausmacht. Für mich ist der Glaube an Jesus Christus und die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche eindeutig das Fundament, auf dem mein Leben stehen soll. Ob ich diesem Anspruch gerecht werde ist eine völlig andere Frage.
Am Donnerstag, dem 28. September, hat Msgr. Helmut Schüller, Pfarrer von Probstdorf und Mitinitiator der „Pfarrerinitiative“ und des „Aufrufs zum Ungehorsam“ beim AKV Mittagstisch zu rund 50 Altkalksburgern über sein Reformanliegen innerhalb der katholischen Kirche gesprochen.
Die zentralen Botschaften von Helmut Schüller sind jedem aus den Medien bekannt: Neuer Zugang zu wiederverheirateten Geschiedenen (konkret sie zur Kommunion einzuladen), mehr Mitbestimmung der ¨Kirchenbürger¨, Priesterweihe verheirateter Männer, Priesterweihe von Frauen, das Einführen von Mechanismen in der Kirche, die es erlauben Kritik vorzubringen, sich in einer Angelegenheit zu verteidigen bzw. gegen eine Entscheidung zu berufen, etc.. Helmut Schüller hat seine Anliegen durchwegs souverän, sympathisch und authentisch vertreten und scheinbar galt ihm auch die Unterstützung eines Großteils der anwesenden Altkalksburger. Auf jeden Fall hat Helmut Schüller aus dem Publikum viel Zuspruch erhalten. Auch ich habe mich zu Wort gemeldet und zwar kritisch. Allerdings hat sich die Erfahrung bestätigt, dass in einer so großen Runde eine wirkliche Diskussion nicht möglich ist, da man keine Gelegenheit erhält auf (Gegen-)Argumente einzugehen, die eigenen (mißverstandenen) Argumente zu präzisieren, etc.. Dieses Privileg hat bei Vorträgen nur der Vortragende. Bei diesem Bericht nehme ich aber das Privileg des Verfassers in Anspruch, das letzte Wort zu haben.
Bevor man seine Meinung äußert, ob verheiratete Männer Priester werden sollen, ob die Gemeinde ihren Pfarrer wählen soll, ob Geschiedene zur Kommunion eingeladen werden sollen, usw. sollte man für sich selber eine ganz grundlegende Frage beantworten. Glaubt man, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, der Messias, der von den Propheten verkündet worden ist und uns am Kreuz erlöst hat? Glaubt man, dass er die Kirche gegründet hat und sie als ihr wahres Haupt weiterhin leitet durch den Heiligen Geist? Wenn man diese Fragen mit einem Nein beantwortet, dann gibt es meiner Meinung nach nur eine ehrliche Position zur Kirche, nämlich die Voltaires. Dann MUSS man einstimmen in seinen Ruf ¨Écrasez l’infâme¨– ¨Stürzt die Infame¨ – und diesen Verein namens Kirche, der den unerträglichen Anspruch erhebt, Gottes Willen und Botschaft auf Erden zu bewahren und zu verkündigen, bekämpfen bis er untergeht. Wenn man diese Frage allerdings mit einem Ja beantwortet, dann MUSS man voll Ehrfurcht vor Gottes Kirche, ihr jedes Vertrauen entgegen bringen und das Evangelium, das sie lehrt, voll Dankbarkeit annehmen.
Ich habe beim Vortrag einen sehr guten Eindruck von Helmut Schüller gewonnen. Ich bin überzeugt, dass er die Kirche liebt und ehrlich versucht das Evangelium zu verkünden. Trotzdem muss ich ihm und seiner Pfarrerinitiative anlasten, dass sie durch ihr Vorgehen der Kirche schaden. Warum lassen wir es zu, dass der zweifellost vorhandene ¨Bruderzwist¨ in der Kirche unter dem Triumphgeheul der Medien ausgetragen wird? Warum lassen wir es zu, dass Menschen, die offensichtlich nicht an Jesus und an die Kirche glauben und ihr nichts Gutes wollen, uns bedrängen Schritte im Sinne des Zeitgeistes zu setzen? Warum lassen wir zu, dass das Lieblingsthema unserer Gesellschaft, nämlich Sex, auch die Berichterstattung über unsere Kirche bestimmt? Warum erheben so viele ¨mutig die Stimme für die Öffnung des Zölibats, aber nicht für die mittlerweile Hundert Tausenden ermordeten ungeborenen Kinder? Unsere Kirche scheint sich nur mit sich selber zu beschäftigen und das ist genau das, was ihre Feinde wollen.
Es läuft tatsächlich einiges schief in unserer Kirche. Wie ist es z.B. möglich, das Firmkandidaten nach Jahren des Religionsunterrichtes das Kreuzzeichen und Ave Maria nicht beherrschen? Ich spreche aus Erfahrung. Anderen brennt aber offensichtlich die Frage nach dem Zölibat mehr unter den Nägeln. Das ist legitim. Und man darf darüber reden und sogar streiten. Man kann auch über andere Pfarrstrukturen reden, transparente ¨Rechtswege¨ innerhalb der Kirche, etc. und natürlich trotzdem ein guter Katholik sein. Man sollte aber diese tatsächlich offenen Fragen nicht vermengen mit Fragen, die nicht zur Option stehen. Konkret meine ich hier den Kommunionsempfang für wiederverheiratete Geschiedene, die Priesterweihe für Frauen und die priesterlose Eucharistiefeier. Hier ist nicht der Ort für theologische und biblische Begründungen, deren es sehr viele und sehr gute gibt. Jeder, der sich ehrlich mit der Lehre der Kirche beschäftig, wird sie entdecken. Wenn man Katholik sein will, dann sollte man versuchen den ganzen katholischen Glauben zu verinnerlichen. Es sei zum Schluss abermals an die zuvor angeschnittenen zwei grundsätzlichen Fragen erinnert. Glauben wir an Jesus? Glauben wir an seine Kirche? Alles andere folgt daraus.
Jan Ledochowski (MJ 01)