Lade Veranstaltungen

« Alle Veranstaltungen

  • Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden.

28.September 2012 – Helmut Schüller beim AKV-Mittagstisch (2.Teil)

28. September 2012

Vielfältig sind die Aktionen und Reaktionen auf den Auftritt von Mag. Schüller, Initiator der Pfarrerinitiative, im Klub der Altkalksburger. Fast ein zynisch anmutend die Anrede mit hochwürdigster Monsignore, spricht man doch einen Revolutionär oder zumindest vermeintlichen Revolutionär an. Dass Schüller nicht ganz ein solcher ist, kommt indirekt in der Feststellung hervor, dass er nunmehr schon 60-jährig auf seine Karriere als Priester und Pfarrer zurückblickt und Sorge hat, wie es mit der Kirche weitergehen soll. Die Probleme sind allen bekannt, Priestermangel und geringerer Kirchenbesuch, das ändert man auch nicht mit der Feststellung, dass wir im Verhältnis zu den Gläubigen, wer immer diese sind, heute nicht weniger Priester haben als früher – wir reduzieren eben auf beiden Seiten. Tatsache ist, dass die demographische Entwicklung bei den Priestern dramatisch ist, und in Zukunft viele Pfarren nicht mehr in bisheriger Weise besetzt werden können.

Der Ausdruck „Ungehorsam“ wurde laut Schüller natürlich auch aus Gründen der Provokation zur Erreichung von Aufmerksamkeit gewählt und bezieht sich auf jene Aktivitäten, bei denen man schon derzeit ein „bisschen“ ungehorsam ist, aber solange niemand darüber redet, regt es auch niemanden auf und dann ist das eben nicht sooo ungehorsam, nur wenn man es aufzeigt, dann schon. (Meine persönliche Anmerkung: Die Kirche verliert an Wahrhaftigkeit und tendiert zur Scheinheiligkeit, dafür war sie aber immer besonders anfällig – nicht umsonst hat uns Jesus den Satz mitgegeben: „Wenn aber das Salz seine Kraft verliert.….“).

 

Drei wesentliche Punkte aus den Forderungen der Priesterinitiative bilden die Eckpunkte: Der Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten, der Zugang zum Priesteramt (Pflichtzölibat oder nicht) und die Rolle der Frau in der Kirche. Alles Fragen, die bekannt sind.

 

Veränderungen sind in der derzeitigen Situation nicht mehr zu verhindern. Als Beobachter hat man aber den Eindruck, dass jede Art von Veränderung allen Beteiligten mehr oder weniger Unbehangen bereitet, dem Klerus ebenso wie dem Kirchenvolk, das gegen jede Absicht des Konzils noch immer regiert wird, was von nicht wenigen als angenehm empfunden wird, weil man dann in aller Ruhe kritisieren kann und ansonsten nicht viel an Verantwortung mit zu tragen hat.

 

Die Erzdiözese Wien bereitet eine Organisationsreform vor, bei der mit weniger Priestern in Zukunft das Auslangen gefunden werden soll. Die Zielrichtung eines weiterhin aufrechten Kirchenbetriebes ist ähnlich, die Mittel aber sind wesentlich anders. Mag. Hammerschmied fragt dazu Mag. Schüller: „Sie sind dagegen, sind sie gegen alles?“ Die Antwort: Die Priester werden noch mehr ge- oder überfordert, die Nähe zu den Gläubigen schwindet.

 

Übrigens – das Konzept der Erzdiözese unter anderem mit dem Namen „Apostelgeschichte 2010“ enthält einige interessante Formulierungen. Da wäre zB. der Hinweis, dass wir uns von einigen Jahrhunderte alten Traditionen verabschieden müssen. Warum dazu nicht der Pflichtzölibat gehört, der ebenso wie die Gründung von Pfarreien einen organisatorisch/wirtschaftlichen Ursprung hatte, erscheint mir nicht ganz klar. Dass die Apostel verheiratet waren (nicht Paulus, diesen „Missionseifer“ hätte auch damals keine Frau ausgehalten), schreibt Paulus in seinem Brief an die Korinther (9,4) „Haben wir nicht das Recht, eine gläubige Frau mitzunehmen, wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und wie Kephas?“

Warum das Priesteramt immer „hauptberuflich“ ausgeübt werden muss (siehe Paulus in 1, Thess 2,9 „Ihr erinnert euch doch, liebe Brüder an unsere Arbeit und unsere Mühe, Tag und Nacht arbeiteten wir, um niemanden unter euch zur Last zu fallen, und predigten unter euch das Evangelium Gottes“) oder ob es – wie bereits derzeit bei Diakonen – auch „freiwillige Priester“ geben könnte, ist ebenso zu hinterfragen, wie die Einbeziehung von Frauen, die derzeit die Mehrheit der Studierenden an der theologischen Fakultät darstellen, aber prinzipiell vom Amt ausgeschlossen bleiben, obwohl es theologisch dafür keine Begründung gibt.

 

Wenn wir wirklich Apostelgeschichte weiterschreiben wollen, werden uns all diese Fragen aus der Zeit der Apostelgeschichte begleiten. Sie haben aber alle bei weitem nicht jene Sprengkraft und erfordern absolut nicht jene weitreichende Entscheidung wie die damalige Frage, ob Nichtjuden, die den christlichen Glauben annehmen, zuerst beschnitten werden müssen. Der Apostelkonvent oder das Apostelkonzil, das in der Diskussion mit Mag. Schüller fast zufällig erwähnt wird, entschied sich für die absolute, „barrierefreie“ Öffnung des Christentums. Ausschlaggebend dafür war Jakobus, der Vorsteher der christlichen Gemeinde in Jerusalem, der „Bruder des Herrn“ und keinesfalls ein sogenannter „Liberaler“. Diesen Mut zu Entscheidungen wird man beim Fortschreiben der Apostelgeschichte auch brauchen.

 

Apostelgeschichte fortschreiben wird ein spannender – keinesfalls konfliktfreier – Prozess. Für eine positive Entwicklung wird es notwendig sein, über alles miteinander zu reden, auch wenn verschiedene Fragen nicht in Wien entschieden werden können. Ohne Dialog wird man beiderseits scheitern, die Pfarrerinitiative ebenso wie das Strukturmodell der Erzdiözese. Die Erzdiözese kann auf die „Ungehorsamen“ genau so weinig verzichten, wie die „Ungehorsamen“ auf den Bischof. Was notwendig ist, ist ein Konsens zwischen beiden Gruppierungen – kein (fauler) Kompromiss – sondern ein von beiden erarbeitetes neues tragfähiges Modell. Beiden Gruppierungen ebenso wie allen Gläubigen gemeinsam ist die Sorge um die Zukunft der Kirche – und Kirche sind eben wir alle. Veränderungen stehen an, schade wäre, wenn nichts passiert oder Machtfragen bei der Lösung den Ausschlag geben.

 

Diakon Mag. Heinrich

Details

Datum:
28. September 2012
Veranstaltungkategorie: