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DEMOKRATIE Wohin? Gefahren-Tendenzen-Initiativen

3. April 2013

Demokratie wohin? – Gefahren, Tendenzen, Initiativen

Vizekanzler a.D. Dr. Erhard Busek zum Demokratie-Volksbegehren 15.-22. April

Gerade rechtzeitig vor dem Demokratie-Volksbegehren gelang es, Herrn Vizekanzler a.D. Dr. Busek als einen der wichtigsten Proponenten dieser partei-übergreifenden Initiative zu einem Vortrag im Altkalksburger Club einzuladen.

Unser Präsident Mag. Hans Hammerschmied (MJ 71) übernahm als Gastgeber die ausführliche Vorstellung des nach wie vor sehr vitalen Politikers und erzählte auch aus eigener Erfahrung über die Vita und die vielfältigen politischen Funktionen des gebürtigen „Lichtentalers“ (Wien IX), wie z.B. als die Wiener ÖVP unter seiner Führung zur Zeit der sogenannten „bunten Vögel“ den höchsten Wähleranteil von fast 40% erreichte; ebenso erwähnenswert war etwa die Epoche der „jungen Löwen“ Mitte der 70er-Jahre, wo Dr. Busek mit Koren, Mock, Taus, Krainer etc. als junge, dynamische Alternative gegenüber dem Kreisky-Team fungierten.

Über die Funktion des Bundesparteiobmanns, des Vizekanzlers, des Wissenschafts- und Unterrrichtsministers bis hin zu den diversen EU-Funktionen und Mitteleuropa-Agenden spannt sich der Bogen, wobei sich Dr. Busek nach wie vor „in der Verantwortung eines Politikers, die man nicht einfach ablegen kann“ sieht (so kam er beispielweise auch zu unserer Veranstaltung direkt von einer „Mission“ in Ljubljana, Slowenien).

Als im Herbst 2011 die Politikverdrossenheit und der Vertrauensverlust vieler Österreicher infolge zahlreicher Skandale und Korruptionsfälle, wegen Reformstau und politischem Stillstand einen Höhepunkt erreichte, trafen sich Persönlichkeiten aus allen politischen Lagern, um über die Ursachen dieser Entwicklung zu diskutieren.

Diese als „MeinOE“ (Mein Österreich) benannte Initiative erarbeitete schließlich unter Einbeziehung vieler Interessierter aus der Zivilgesellschaft einen Aktionskatalog mit 9 Hauptthemen, welcher schließlich zumVolksbegehren „Demokratie jetzt !“ vom 15. bis 22. April 2013 führte.

Als wesentliche ProponentInnen seien in diesem Zusammenhang v.a. als Politiker aller Couleurs Dr. Busek, Fischler, Neisser, Karas, Voggenhuber, Radlegger, Bösch, Burtscher, Kranzl, Raidl, Heide Schmidt genannt , aus Künstler- und Medienkreisen z.B. Gerd Bacher, Anton Pelinka, A. Rohrer, K.H. Hackl, Th. Maurer, R. Palfrader, E. Pluhar, H. Krassnitzer u.s.w.

Im Zentrum des Forderungskatalogs stehen vor allem folgende Themenbereiche:

– mehr direkte Demokratie und verstärktes Persönlichkeitswahlrecht
– Stärkung der Grund- und Freiheitsrechte (Übernahme der „Europäischen Charta der

Grundrechte“)

– ein unabhängiges Parlament als Gesetzgeber und?Kontrolle der Regierung (statt
Klubzwang oder „Hände falten, Gosch’n halten!“)
– Zurückdrängen der parteipolitischen Einflußnahme in Medien und Justiz
– wirksame, lückenlose Antikorruptionsgesetze
– Föderalismus- und Parteienreform.

Trotz geringer finanzieller Mittel gelang es der Initiative „MeinOE“ im Vorjahr, die für die Einleitung eines Volksbegehrens erforderlichen ca. 8.000 Unterstützungserklärungen mit der Unterschrift von mehr als 12.000 ÖsterreicherInnen eindrucksvoll zu überbieten.

Dr. Busek sieht in dieser Initiative keinen angestrebten Systemwechsel sondern bezeichnet dieses Unterfangen eher als erforderliche Systemerhaltungsmaßnahme.
Als eines der Beispiele für demokratiegefährdendes Verhalten benennt er die Nichteinhaltung des laut Art. 51 der Bundesverfassung vorgesehenen Termins zur Vorlage des Entwurfes eines Bundesfinanzgesetzes, der 2011 bewußt nicht eingehalten wurde (O-Ton Dr. Busek: „shocking“).

Ähnlich auch bei der zuletzt durchgeführten Bundesheer-Volksbefragung, wo fehlende, ausführliche Informationen zu den Inhalten nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprachen. Dies war „kein ordentlicher Umgang mit der Demokratie“.

Zu den zahlreichen Korruptionsfällen der letzten Jahre beklagt Dr. Busek u.a. auch die falsche Toleranz, teilweise auch fehlende Zivilcourage und defaitistische Einstellung seitens der Bevölkerung nach dem Motto „wir wissen eh, wie die Politiker sind“.
Im Zusammenhang mit dem von der Initiative forcierten Persönlichkeits-Wahlrecht erwähnt er als Negativ-Beispiel die Europa-Wahl 2009, wo die ÖVP mit dem früheren Innenminister Ernst Strasser einen anderen Spitzenkandidaten präsentierte als den bis dahin als Delegationsleiter fungierenden Othmar Karas (mit über 100.000 Vorzugstimmen!)

Zum Thema der politisch agierenden Medien bzw. deren fehlende Unterstützung für das kommende Volksbegehren erzählt Dr. Busek von seiner Unterredung mit einem der ORF-Granden, welcher ihm bezüglich der Berichterstattung zum Demokratie- Volksbegehren sinngemäß mitteilte: „Ihr kommts 2 mal vor: einmal zu Beginn des Volksbegehrens und einmal am Ende.“ (Anm.: wohingegen zur letzten Bundesheer-Volksbefragung der ORF fast pausenlos „orgelte“).

Im Zusammenhang mit der Informations- und Kommunikationsfunktion der Medien zitiert Dr. Busek Aristoteles, der meinte, daß „die Demokratie nur so weit reiche, wie die Stimme des Herolds“.

Auch bei den Regierungsparteien fehlen merkbare, größere Reaktionen, das Volksbegehren komme sozusagen nicht vor, dieses wird mehr oder minder totgeschwiegen, nach dem Motto: „nicht einmal ignorieren“.

Als spezielles Detail am Rande erwähnt Dr. Busek, daß nicht einmal die ÖVP-Proponenten einen Termin ihrer Parteigranden zu diesem Thema bekamen, wobei es auch den SPÖ-ProponentInnen wie auch den Vertretern von LIF (Heide Schmidt) und Grünen ganz ähnlich ergeht. Dies kann schon als Hinweis darauf gewertet werden, daß hier an der Machtfülle der Parteien zugunsten direkter Demokratie „gekratzt“ wird.

Als angepeiltes – eher hochgestecktes – Ziel hofft Dr. Busek analog zum Bildungs-Volksbegehren auf einen Zuspruch in Höhe von ca. 300.000 Stimmen, wodurch auch eine ausführliche Behandlung im Parlament garantiert wäre.

Später geht der Referent auch auf die Demokratie auf europäischer Ebene ein, wobei es seiner Ansicht nach auch hier in manchen Bereichen nicht zum Besten steht. Was dringend nötig wäre ist z.B. ein Mehr an weiterführender Demokratie-Diskussion (auf EU-, nationaler und regionaler, aber auch auf Gemeinde-Ebene).

So gibt es insbesonders auch keine gesamteuropäische, politische Information, es fehlt eine Informationsplattform auf europäischer Ebene (TV-Sendungen, Talkshows etc.); es gibt „nur Euronews bzw. den Euro-Song-Contest“.

Trotzdem erklärt sich Dr. Busek als „großer Anhänger des europ. Parlaments“. Im Vergleich mit dem österr. Parlament wird erwähnt, daß auf Europa-Ebene ca. 90% der Gesetzesvorhaben vom Europa-Parlament verändert oder zurückgewiesen werden, auf österr. Ebene hingegen werden vom Parlament 90% der Vorlagen praktisch ohne Änderung „abgenickt“, wobei laut Verfassung ein unabhängiges Parlament als Gesetzgeber und?Kontrolle der Regierung fungieren sollte.

Die größte Gefahr für die Demokratie ist in der Folge darin zu sehen, daß „die Bürger in einem hohen Ausmaß aus der Demokratie ausziehen“. Der Autor des Buchs „Empört euch“, Stephane Hessel, hat laut Dr. Busek recht gehabt mit seiner Aufforderung, sich zu engagieren, um den vielfältigen politischen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken.

Die derzeitige politische Landschaft unterliegt nach Ansicht von Dr. Busek einer starken Erosion, wobei er als Charakteristika die zahlreichen Splittergruppen und die vielfach daraus resultierende Verwirrung bezeichnet.

Für das politische Leben im allgemeinen meint er, daß hier immer „eine gewisse Offenheit dazugehört“, da „niemand die ganze Wahrheit gepachtet hat“.
Auf die Frage nach seiner Einschätzung der Wirksamkeit des bevorstehenden Volksbegehrens betont Dr. Busek v.a. die langfristige Wirkung, daß also vom Volksbegehren auf jeden Fall gewisse positive Auswirkungen zurückbleiben würden (zum Teil waren solche ja auch schon im vorhinein zu registrieren).

Die Demokratie stellt eine Gewissensfrage für jeden dar, gemäß dem Zitat von Max Frisch: „Demokratie heißt, sich in seine eigenen Angelegenheiten einzumischen“. In diesem Sinn ersuchte Dr. Busek auch um rege Teilnahme am bevorstehenden Demokratie-Volksbegehren vom 15. bis 22. April.

Nach einer interessanten und zeitweise sehr intensiven Diskussion signierte Dr. Busek noch etliche seiner zahlreichen Bücher, die Walter Grossmann (MJ 86) dankenswerterweise im Club zum Kauf aufgelegt hatte.
Weitere Details zum Demokratie-Volksbegehren siehe auch unter
http://www.demokratie-jetzt.at

Gerd Bierbaumer (MJ 67)

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Datum:
3. April 2013
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