Die Europäische Konföderation der Jesuitenaltschüler veranstaltete vom 15.-17.11.2013 im Kardinal König Haus in 1130 Wien-Lainz einen Spezialkongress zum Thema “Ethics are at home in banking and finance”. Derartige Spezialkongresse fanden bereits zweimal in Paris statt, wo unter starker Beteiligung von Altkalksburgern über Ethik in der Medizin referiert und diskutiert wurde. Der heurige Kongress wurde von der Altkalksburger Vereinigung organisiert und war dank der intensiven Vorbereitungen unseres Präsidenten Hans Hammerschmied ein voller Erfolg. Eingeladen waren Interessierte und im Bereich Bank- und Finanzwesen versierte Experten und Jesuitenaltschüler. Insgesamt 21 Teilnehmer aus Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Russland und Österreich genossen die ausgezeichnete Verpflegung und die wunderschönen Tagungsräumlichkeiten im neu errichteten Bildungszentrum der Jesuiten und der Caritas in Lainz (auf welches die Jesuiten zu Recht sehr stolz sind).
Der erste Vortragende, Mag. Dr. Bernulf Bruckner, ist Experte sowohl für „finanzielle“ als auch für „önologische“ Liquidität. Während er am Vormittag über Liquiditäts(risiko)management referierte und die ständig wachsende Regulierung durch Basel I – IV kritisierte, präsentierte er am Abend bei einer Weinverkostung im AKV-Club zum köstlichen Buffet die besten österreichischen Weine. Zuvor besuchten wir die Vorabendmesse in der Ruprechtskirche, deren Geschichte und Architektur uns von P. Provinzial Gernot Wisser SJ, einem gelernten Architekten, kompetent vermittelt wurde.
Frau Dr. Magdalena Holztrattner ist Präsidentin der Katholischen Sozialakademie, an der auch ein Lehrgang „Geld und Ethik“ angeboten wird (http://www.ksoe.at/geldundethik/). In ihrem Vortrag unterschied sie zwischen Armut als Folge struktureller Sünde und den Armen, die in ihrem vollen Menschsein begrenzt werden. Für uns stelle sich die Frage, wie wir als Christen mit den Geringsten der Geschwister Jesu umgehen (Bergpredigt). Papst Franziskus, der selbst in einer armen Familie in Argentinien aufgewachsen sei, wünsche sich eine „arme Kirche für die Armen“. In Gruppen versuchten wir Fragen zu beantworten, wo wir selbst mit Armen konfrontiert sind, wie unsere Institutionen das Leben von Armen beeinflussen und ob wir Möglichkeiten sehen, Solidarität mit den Armen strukturell zu globalisieren.
Mag. Peter Brandner, Experte für empirische Wirtschafts- und Finanzmarktforschung im Finanzministerium, sprach sich in seinem Vortrag gegen Mindesthaltefristen zur Einschränkung des Hochfrequenzhandels und gegen Grenzen für die Spekulation mit Rohstoffen bzw. Nahrungsmitteln aus. Anhand verschiedener Graphiken wollte er beweisen, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Spekulationen mit Lebensmitteln bzw. Öl und Preissteigerungen dieser Lebensmittel bzw. Öl gibt.
Emmanuel de Lutzel leitet eine Abteilung der BNP Paribas, die sich mit der Vergabe von Mikrokrediten als „Social Business“ beschäftigt. Social Business ist auf die Lösung wichtiger sozialer Probleme ausgerichtet und verzichtet auf Gewinne. Mikrokredite sind ein wichtiges Instrument zur Reduktion von Armut. Arme Kleingewerbetreibende, vor allem in Entwicklungsländern, haben keinen Zugang zu üblichen Bankkrediten und sind daher abhängig von „Kredithaien“ mit sehr hohen Zinssätzen bis 400 % p.a. Mikrokredite mit Zinssätzen von rd. 20 % p.a. ermöglichen ihnen eine Anhebung ihres Lebensstandards.
P. Frank Turner SJ ist gebürtiger Engländer und begann seine Berufslaufbahn bei der Barclays Bank in Ghana. Seit 7 Jahren betreut er das „Jesuit European Social Centre“ in Brüssel und die Netzwerke zu europäischen Institutionen. In seinem Vortrag erwähnte er die 1991 von Papst Johannes Paul II. veröffentlichte Enzyklika „Centesimus annus“, die zwei Jahre nach dem Zusammenbruch der totalitären planwirtschaftlichen Systeme in Mittel- und Osteuropa eine freie und sozial geordnete Marktwirtschaft anerkannte. P. Turner wandte sich gegen spekulative Finanzprodukte sowie gegen die Privatisierung von Gewinnen im Gegensatz zur Sozialisierung von Verlusten. Wachstum würde nicht jeden begünstigen und sei fraglich, wer die EU kontrolliere.
In der Schlussrunde wurde kritisiert, dass die Vorträge teilweise zu technisch waren und die Diskussionen dabei vielfach zu kurz kamen. Die vorherige Versendung von Tagungsunterlagen wäre hilfreich gewesen, um den Teilnehmern die Vorbereitung auf die Referate und Präsentationen zu ermöglichen. Die Tagungssprache Englisch war nur für P. Turner SJ die Muttersprache (und für den Englischlehrer von Hans, einem früheren Londoner Rechtsanwalt). Dies führte dazu, dass sich die Belgier (außerhalb des Tagungsraums) immer wieder in französischer Sprache unterhielten und die deutschsprachigen Teilnehmer auf Deutsch. Die Belgier waren enttäuscht über die – ihrer Meinung nach – zu geringe Teilnehmerzahl. Dank der Initiative von Hans und großzügiger „Stipendien“ konnten immerhin 6 Altkalksburger teilnehmen, wobei die beiden Studenten (MJ 2010) vermutlich am meisten von der Veranstaltung profitierten. Für die Folgeveranstaltung sollte das Thema etwas allgemeiner gehalten werden, um mehr Interessanten anzulocken.
Peter BIESENBENDER (MJ 81)