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Ethik-Reihe Erster Teil „Es ist Zeit, ethische Fragen zum Lebensende“

23. Oktober 2013, 19:00 bis 21:00

Es ist immer ein Vergnügen der Diskussion wirklich kluger Menschen zuzuhören, wobei das Thema dieses Gespräches eigentlich sekundär ist, da praktisch jeder Lebensbereich faszinierende Aspekte aufweisen kann. Und doch gibt es natürlich Fragen, die einen mehr beschäftigen als andere. Und welche Frage ist größer und endgültiger, als jene letzte, ultimative Frage, die sich jeder stellen muss, nämlich die nach dem Tod? Und wenn kluge Menschen über den Tod und das Sterben sprechen, dann ist das Zuhören mehr als nur ein Vergnügen. Falls es Intention der AKV Ethikreihe ist, nicht nur zu informieren, sondern auch zu packen und anzustoßen, dann ist dies in ihrem ersten Teil „Es ist Zeit, ethische Fragen zum Lebensende“ fulminant gelungen. Selten war der Altkalksburger Club besser besucht und selten war die Konzentration und Bannung der Gäste höher, als am 23. Oktober 2013. Miteinander gesprochen haben Primarius Univ. Prof. Dr. Johannes Meran, Onkologe am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien, Dr. Maria Kletecka-Pulker, Juristin und Geschäftsführerin des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin und Univ. Prof. Dr. Konrad Paul Liessmann, Philosoph an der Universität Wien. Moderiert wurde das Gespräch von Univ. Prof. Fritz Wrba.

Sterben als Loslassen

Das Gespräch wurde mit einer Frage zum Kern der Sache eröffnet: Was bedeutet für Sie Sterben? Die drei Diskutanten antworteten in Ihren Eigenschaften als Arzt, Philosoph und Jurist. Dr. Johannes Meran beschrieb, wie Sterben nicht sein sollte. Sterben soll kein Heraus- und Hineinreißen aus dem Leben sein, wie es leider in den medizinischen Behandlungen oft geschieht, sondern eine Veränderung, ein Weggehen und Loslassen. Die Schwierigkeit für Arzt, Patient und Angehörige liegt in der 180 Grad Wendung des Ziels. Zu Beginn wird mit aller Kraft auf eine Heilung hingearbeitet. Doch wenn dieses Heilen nicht mehr erreicht werden kann, müssen andere Ziele definiert werden, wie zum Beispiel das Lindern von Symptomen und Schmerzen oder schlicht das Gewinnen von Lebenszeit.

Sterben als Skandal

Und doch scheint es uns Menschen so schwer zu fallen den Tod sogar nur als Option in Erwägung zu ziehen. Darauf zielte auch die Antwort des Philosophen Professor Konrad Liessmann. Dieser unterschied zunächst zwischen Sterben und Tod. Sterben ist eine Sache des Diesseits und des Lebens, der Tod ist jenseits aller Formen. Der Tod ist von jeher ein Skandal und das sterben Müssen eine Provokation, die von der Menschheit niemals unwidersprochen hingenommen werden kann. Auf die Frage was Sterben bedeute, kann nur geantwortet werden, dass man gar nicht sterben wolle – nicht heute, nicht morgen und auch nicht übermorgen, sondern in einer möglichst fernen Zukunft.

Sterben als Akt der Selbstbestimmung

Diese Weigerung des Menschen, sich mit der Finalität des Todes ernsthaft auseinanderzusetzen, stimmt mit einer Beobachtung von Dr. Maria Kletecka-Pulker überein. Als Juristin stellt sie fest, dass alle Bereiche des Lebens durch Verträge geregelt werden, doch im Sterben spielen diese keine Rolle. Dabei sei es gerade im Sinne der Selbstbestimmung wichtig, sich Gedanken zum Sterben zu machen. Dies kann durch Patientenverfügungen oder Vorsorgevollmachten geschehen. Gerade in diesem Akt der Selbstbestimmung in den letzten Momenten des Lebens liegt die Möglichkeit auf menschenwürdiges Sterben. Wer auf die Selbstbestimmung verzichtet, läuft in Gefahr gegen seinen Willen unter unwürdigen Umständen zu sterben.

Menschenwürde als Mitgiftwürde

Damit sind in der Diskussion das Stichwort des menschenwürdigen Sterbens und die Frage nach dem Wesen der Menschenwürde gefallen. Auch wenn die Ausübung der Selbstbestimmung ohne Zweifel Ausdruck dieser Menschenwürde sein kann, so hängt diese keinesfalls von irgendwelchen Eigenschaften ab. Dr. Meran betonte, dass die Menschenwürde eine Mitgiftwürde sei. Sie wurde uns gegeben und ist uns Menschen eigen und kann niemals unter keinen Umständen verloren werden.

Euthanasie als Hinrichtung und der Arzt als Henker

In der öffentlichen Diskussion fallen oft die Begriffe Menschenwürde und aktive Sterbehilfe in einem Atemzug. Ist nicht die Möglichkeit, aktive Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, Ausdruck der Menschenwürde? Die Antwort der Diskutanten war einhellig und eindeutig ablehnend. Professor Liessmann bezog sich auf die Argumentation Immanuel Kants, des großen Philosophen der Aufklärung. Kant würde die aktive Sterbehilfe aus zwei Perspektiven betrachten, nämlich aus der Perspektive desjenigen, der sterben will und desjenigen, der töten soll. In einer Abhandlung zum Selbstmord gelangt Kant zu einer eindeutigen Ablehnung jeder Form des Selbstmordes. Sein kategorischer Imperativ besagt, dass die Maxime des eigenen Handelns geeignet sein muss, für alle zu gelten. Nur dann ist sie vernünftig. Jeder Selbstmörder handelt unter der Maxime, dass es unter bestimmten Bedingungen gerechtfertigt sei, sein Leben zu beenden. Was für ihn gilt, muss auch für andere gelten. Wenn es nun wirklich ein plausibles Motiv für den Selbstmord gäbe, dann gäbe es auch ein plausibles Motiv für den Mord. Wenn ich das Recht habe mich selbst zu töten, dann kann ich unter denselben Umständen das Recht beanspruchen, jemand anderen zu töten. Es ist für Kant undenkbar, sich selbst zum Gegenstand der eigenen Hinrichtung zu machen. Doch bei der aktiven Sterbehilfe handelt es sich eben nicht um einen Selbstmord im klassischen Sinn, sondern man benötigt eine zweite Person, die die Tötungshandlung durchführen soll. Nach Kant ist es absolut unmöglich von einem Menschen verlangen zu können, zum Mörder zu werden. Völlig zu Unrecht wird aber in den Staaten mit legaler aktiver Sterbehilfe diese Aufgabe den Ärzten zugeschoben, was das Bild völlig verzerrt. Diese Staaten sollten die aktive Sterbehilfe aus dem Deckmantel der Medizin holen und staatlich bestellte Henker einstellen. Töten mit der Spritze ist Aufgabe von Henkern und nicht von Ärzten. Es sind solche pointierte, aber dennoch zutiefst wahre Aussagen von Prof. Liessmann, die sich an diesem Abend am tiefsten in das Gedächtnis eingeprägt haben.

Die Diskussion endete, wie sie begann, nämlich wieder mit einer Frage nach dem Sterben: Wie wollen Sie sterben? Dr.Kletecka-Pulker will selbstbestimmt loslassen können. Dr. Meran will an der Hand eines Menschen sterben, der ihn liebt. Prof. Liessmann will eigentlich gar nicht sterben und wenn es denn unbedingt sein, dann „Wie ein Mann!“.

Details

Datum:
23. Oktober 2013
Zeit:
19:00 bis 21:00
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