Ethik im Journalismus: „So wirft man jegliche Moral über Bord“
„Das Renommee der Berufsgruppe Journalisten ist gleich dem der Politiker: nämlich gleich schlecht.“ Dieses Fazit zieht Andreas Unterberger, Herausgeber seines Blogs „Das nicht ganz unpolitische Tagebuch“ und früherer Chefredakteur von Presse und Wiener Zeitung im Rahmen der zweiten Reihe der Ethik-Runde in der Altkalksburger Vereinigung. Thema an diesem Abend: „Ethik im Journalismus“. Mit Andreas Unterberger diskutierten Walter Friedl (MJ 81), stv. Außenpolitik-Chef des Kurier, Richard Schmitt (Altfreinberger), Berater des Herausgebers der Kronen Zeitung und Michael Völker (MJ 84), Innenpolitik-Ressortleiter des Standard. Viele Themen wurden angeschnitten, zwei Hauptinhalte dominierten aber das Geschehen. Zum einen die Frage, inwieweit die Branche von Inseraten vor allem der öffentlichen Hand abhängig ist und wie diese Abhängigkeit verringert werden kann. Thema zwei: Die Hoffnung der Branche auf das Wachstum des Online-Bereichs – und die damit einhergehende Gefahr, dass diese Entwicklung zu Lasten der Qualität geht.
Inserate: Die eigentliche Presseförderung?
Wenn es um redaktionell unabhängige Berichterstattung geht, vor allem im Vorfeld der Nationalratswahlen, landeten die vier Branchenexperten sehr schnell bei der Abhängigkeit der Tageszeitungen von Anzeigenverkäufen – vor allem aus der öffentlichen Hand. „Es gibt keine Leine, an der wir hängen“, gibt zwar Richard Schmitt zu Protokoll. Selbst über die Stadt Wien werde kritisch berichtet, auch wenn die Kronen Zeitung größte Bezieher der Inserate ist. Andreas Unterberger hat das in seiner Tätigkeit als Chefredakteur anders erlebt: „Die Anzeigenleiter kamen zu mir und berichteten aus dem Wiener Rathaus: ‚Solange der Unterberger da ist, kriegt Ihr gar nichts.’“ Er ortet einen direkten Zusammenhang zwischen entsprechender Redaktion und Anzeigenvolumen. „Öffentliche Inserate sind eine große Gefahr für die Branche“, ist Walter Friedl überzeugt. Nachdem aber das Anzeigenvolumen beim den Printmedien laufend zurückgeht, nehmen Tageszeitungen gerne öffentliche Gelder an. Für Michael Völker ist damit das Thema Ethik im Journalismus klar definiert, denn grundsätzlich gelten Regeln, die im Strafgesetzbuch, im Mediengesetz festgeschrieben sind und sich sogar im Rahmen von Redaktionsstatuten die Tageszeitungen selbst auferlegen. Aber: „Es darf nicht passieren, dass der Anzeigenleiter in der Redaktion steht, der sagt, wie was zu erscheinen hat. So wirft man jegliche Moral über Bord.“, so der Standard Innenpolitik-Chef. Um diese durchaus realistische Gefahr zu verhindern, ist vor allem eine Person gefordert: Der oder die Chefredakteur: „Alles hängt an den breiten Schultern des Chefredakteurs. Er muss die Unabhängigkeit gewährleisten“, bringt es Walter Friedl auf den Punkt. Andreas Unterberger sieht noch eine andere Möglichkeit, die Abhängigkeit der Medien von der öffentlichen Hand zu reduzieren: Die staatliche Presseförderung solle – anstatt der teils willkürlichen Inseratenvergabe – deutlich erhöht werden, um so die Zeitungsvielfalt erhalten zu können.
Online first?
Denn: Eines kam sehr deutlich bei der Diskussionsrunde heraus: Die Zeitungsbranche befindet sich in der Krise, nicht nur in Österreich. Weltweit müssen teils renommierte Zeitungen schließen, Frankfurter Rundschau, Financial Times Deutschland und Newsweek sind nur wenige prominente Beispiele. Nicht nur die Auflage geht zurück, auch die Anzeigenumsätze sind stark rückläufig. In diesem Umfeld sind Zeitungen auf der Suche nach neue Einnahmequellen, sei es durch lukrativer Inserate Verkäufe, sei es durch neue Geschäftsfelder, wie neue Beilagen oder eben der Fokus auf Online. Allerdings: „Online-Medien haben sicher eine riesige Zukunft“, so Andreas Unterberger. Aber: „Das Finanzierungsmodell als Stein des Weisen hat noch niemand gefunden.“ Für Andreas Unterberger ist Online zurzeit auch nicht mehr als ein Suchprozess. Dass er selbst mit seinem Online-Blog leben kann, ist der Tatsache zu verdanken, dass er sich einen Nischenbereich („wirtschaftsliberal und wertekonserverativ“) gesucht hat und sich durch seine jahrelange Tätigkeit als Chefredakteur zuvor einen entsprechenden Namen gemacht hat. Die verstärkte Ausrichtung der Tätigkeit der Printmedien auf den Online-Bereich, birgt die große Gefahr, dass das zu Lasten der Qualität geht. Denn: Online setzt auf Geschwindigkeit, weniger auf ausführlich recherchierte Geschichten. „Einige Boulevard-Medien glauben, dass sie mit schlechter ausgebildeten Journalisten und einer schlechter geschriebenen Geschichte Gewinne machen können und den Printbereich überholen können. Das wird so nicht funktionieren“, bringt es Richard Schmitt auf den Punkt. Für Michael Völker ist es ein gegenseitiger Lernprozess: „Online muss lernen Hintergrund und Qualität zu liefern, Print muss lernen, sich besser zu verkaufen.“
Um diese Qualität zu liefern, muss allerdings auch entsprechend ein Augenmerk auf die Wahl der bestmöglich ausgebildeten zukünftigen Journalisten gelegt werden. Denn: ein Nachwuchsmangel ist grundsätzlich nicht zu sehen, es liegt an den Medien, einen entsprechend strukturierten Aufnahmeprozess zu implementieren, sodass die besten Leute gefunden werden, so Andreas Unterberger. In einem Punkt sind sich allerdings alle einig: Mit einem Publizistik-Studium wird man die geringsten Chancen haben, an einen der immer noch begehrten Jobs zu kommen. Ein Fachstudium kombiniert mit einem fundierten Allgemeinwissen ist heute Pflicht.