Unser Präsident hatte wieder einmal ein goldenes Händchen beim Timing: 9 Tage vor der Volksbefragung war General Entacher zu Gast bei uns, um uns mit Munition für eine sachlich fundierte Entscheidung pro/contra Wehrpflicht zu versorgen. Unser Präsident selbst konnte nicht teilnehmen, weil er durch einen Skiunfall vorübergehend untauglich wurde.
Dass das Thema hochaktuell und interessant war belegte das volle Haus, sogar Tische mussten aus dem Raum geräumt werden um genügend Sitzplätze zu schaffen. Moderiert wurde das Gespräch von Dr. Martina Mautner Markhof, die einen originellen Einstieg wählte: sie spulte die Zeit vor (wie wird die Volksbefragung wohl ausgehen?) und versetzte sich in die Rolle der Verteidigungsministerin, die General Entacher als Berater engagiert und von ihm wissen will, wie sie jetzt je nach dem Ausgang der Befragung mit der Wehrpflicht oder dem Berufsheer umgehen soll.
Die erste Frage beantwortete der General ohne Umschweife und betonte wenig überraschend die Vorzüge der Wehrpflicht. Er holte bei der Sicherheitsdoktrin aus (eine neue liegt in der Schublade und müsste nur noch von der Politik beschlossen werden), legte dar welche Aufgaben das Bundesheer von Gesetzes wegen zu erfüllen hat (dazu gehört auch wenig überraschend die Verteidigung und nicht nur der Katastrophenschutz) und betonte auch das internationale Prestige des österreichischen Bundesheeres nicht zuletzt wegen der Auslandseinsätze unter UNO/EU-Flaggen. Das Milizsystem hätte sich bewährt und gewährleistet die notwendige Mannstärke im Ernstfall. Interessant war auch seine Ansicht zum Bedrohungsszenario (das für viele mehr ein Sandkastenspiel denn eine realistische Gefahr darstellt): Europa rüstet generell immer mehr ab und riskiert damit längerfristig ein Machtvakuum, das vor allem wegen des Wohlstandsniveaus eine interessante Beute sein könnte. Die Vorzüge der Wehrpflicht und der Miliz sieht er auch in der Durchmischung der Berufe im Bundesheer, weil zB ein Bauarbeiter oder Zimmerer bei den Pionieren mit den entsprechenden Werkzeugen viel besser umgehen kann als ein Berufssoldat, der an einer Artilleriekanone ausgebildet wurde.
Denn eines ist für den Generalstabschef klar: beim Berufsheer wird es eine deutliche Reduzierung geben müssen, die in einigen Abteilungen (zB ABC-Abwehr oder Pionieren) zu einer Einbuße von bis zu zwei Dritteln der jetzigen Bereitschaft führen würde. Eine Einsparung ist nicht zu erwarten, das derzeitige Verteidigungsbudget von knapp 2 Mrd jährlich (mit sinkender Tendenz) würde nicht ausreichen, um ein Berufsheer aufzubauen (das derzeitige Personal im Beamtenstatus müsste ja bis zur Pensionierung weiter beschäftigt werden, obwohl es im Berufsheer zum Großteil nicht wirklich gebraucht würde). Nach seiner Schätzung würde es im Extremfall bis zu 20 Jahre dauern, bis das Berufsheer in der angedachten Konfiguration (er betonte immer wieder, dass die Konzepte dazu nur Skizzen seien, die noch nicht ganz ausgereift sind) zu realisieren wäre. Und was noch erschreckender klingt: wenn man den Weg wieder zurück gehen wollte, würde es genauso lang wieder dauern, bis man ein Bundesheer heutigen Zuschnittes hätte. Daher brachte er die Wichtigkeit der Entscheidung bei der Volksbefragung in aller militärischen Kürze mit dem Sager „Es geht um die Wurscht!“ auf den Punkt.
In der angeregten Diskussion kamen Fragen zu der Überbesetzung mit Brigadieren beim Bundesheer (ist halt auch ein Ministerium), der veralteten Ausrüstung (die er so nicht gelten ließ), der aus Gründen der Gleichbehandlung angeblich gebotenen Wehrpflicht auch für Frauen (die er für ein unnötiges politisch motiviertes Störmanöver hält, weil Österreich diese Frage in der Verfassung allein regeln kann), den Leerläufen in der Ausbildung und zum internationalen Umfeld (weil ja viele auch europäische Länder die Wehrpflicht abgeschafft haben). Bei der Ausbildung merkte man General Entacher die langjährige Erfahrung in der Führung der Truppe an und er konnte glaubhaft rüberbringen, dass bei entsprechendem Einsatz der Ausbildner und Führungskräfte auch der Grundwehrdienst interessant und auch so gestaltet werden könnte, dass man persönlich davon profitiert (also Kenntnisse und Fertigkeiten erworben werden, die man auch nach dem Bundesheer brauchen kann, aber nicht nur der Führerschein). Man sah ein richtiges Flackern in seinen Augen, als er davon erzählte, wie er sein ganzes pädagogisches Geschick aufbot, um einem Rekruten bei der Überwindung der Höhenangst zu helfen. Pläne für eine Verbesserung und interessantere Gestaltung der Ausbildung gäbe es sehr wohl (so komme der Leerlauf unter anderem auch dadurch zustande, dass es pro Jahr 11 Einrückungstermine gibt, sodass ein geordneter Aufbau der Ausbildung kaum möglich ist, 4 bis 5 Termine sollten auch reichen), allein die Politik verhindere die Umsetzung der Programme, weil eben das politische Zukunftsbild des Heeres unklar ist. Klar war für General Entacher seine persönliche Zukunft: egal wie die Volksbefragung und der politische Prozess danach (immerhin wäre für die Abschaffung der Wehrpflicht dann noch immer ein Verfassungsgesetz notwendig, wo es noch einiges politisches Hick-Hack geben kann) ausgehen, wird er im März 2013 endgültig in Pension gehen.
Zum internationalen Umfeld meinte er, dass die Berufsheere wirklich nur bei den sogenannten Großmächten funktionieren, die auch genügend Budgetmittel dafür bereitstellen. Bei den kleineren Ländern zB auch in der näheren Umgebung Österreichs komme die Abschaffung der Wehrpflicht mehr oder weniger auch einer Abschaffung des Heeres gleich.
Zum Schluss gab General Entacher doch noch ein politisches Statement ab, dass er nämlich aus demokratiepolitischen Gründen den Geist der Entsolidarisierung schädlich findet, die mit der Abschaffung der Wehrpflicht (und damit auch des Zivildienstes) einhergeht. Denn egal wie man zum Bundesheer oder zum Zivildienst steht, stellen sie doch Beiträge dar, den junge Männer für das Gemeinwohl leisten. Diese Meinung teilte auch unsere Moderatorin, die zumindest bei ihrem Sohn eine positive Persönlichkeitsentwicklung während der Bundesheerzeit beobachten konnte. Dieses Statement war sicher ganz nach General Entachers Geschmack, und soweit er sich prognostisch wagte, war er zuversichtlich, dass die Volksbefragung pro Wehrpflicht ausgehen würde, wenn die Wahlbeteiligung entsprechend hoch ist.