Am 9.4. trafen wir uns zu einem äußert interessanten und „heiß“ diskutierten Thema in der Altkalksburger Vereinigung. Unserem Präsidenten Hans ist es gelungen, zwei wahre Kapazunder auf dem Gebiet Ethik und Reproduktionsmedizin für eine Diskussion in den Räumlichkeiten unserer Vereinigung zu gewinnen.
Auf der einen Seite Prof. Markus Hengstschläger, Vorstand des Institutes für Medizinische Genetik und Organisationseinheitsleiter des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik an der Medizinischen Universität Wien, Leiter der genetischen Abteilung am Institut für Kinderwunsch Wien, Bestsellerautor, Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission.
Auf der anderen Seite Prof. Matthias Beck, Moraltheologie, Professor für Theologische Ethik/Medizinethik an der Universität Wien, Priester, Pharmazeut, Mediziner, Mitglied der päpstlichen Akademie für das Leben- Pontificia Academica Pro Vita sowie unter anderen der österreichischen Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt.
Nach einer kurzen Vorstellung der beiden Diskutanten durch Prof. Wrba (Pathologe am Wiener AKH) und Dr. Zacherl (Jurist, u.a. in der Pharma-Forschung tätig) gab Prof. Hengstschläger zunächst einen Überblick über Genetik und Reproduktionsmedizin, und deutete schon ansatzweise die potentiellen Konfliktherde mit ethischen Standpunkten an.
Bei den anschließenden Ausführungen von Prof. Beck über Ethik und Menschenwürde zeigte sich schon, dass die beiden Experten mitunter doch recht unterschiedlicher Ansicht über entscheidende Zukunftsfragen dieser hochinteressanten und teilweise auch komplexen Wissenschaftsdisziplin sind. Im Rahmen eines ersten Abtastens erkannte man schon sehr deutlich, dass gewisse Definitionen von Menschenwürde, wann ist ein Mensch ein Mensch, welche Zellen darf ich für Forschung und/oder Reproduktion verwenden, je nach Standpunkt sehr unterschiedlich ausfallen können, sowie Folgefragen aufwerfen.
Im Rahmen der Diskussion über Beginn des Lebens, Beseelung des Embryos und Forschung am Embryo kamen auch sehr deutlich die verschiedenen Positionen der Weltreligionen zum Ausdruck. Hierbei zeigte sich sehr deutlich, dass auch die Wissenschaft ob Medizin oder Religion oft sehr wage den genauen Beginn des Lebens definieren kann. Doch genau durch diese Frage sind eine Vielzahl von ethischen Problemen der Reprotuktionsmedizin, Gentechnik und Zellforschung bedingt. Meiner Meinung nach erwähnenswert ist hier die Sichtweise des Buddhismus, dessen Lehrmeister der Ansicht sind, dass findet keine Reinkarnation stattfinden kann, sollten Embryos zu Forschungszwecken verwendet werden. Basierend auf den Werken von Thomas von Aquin wäre embryonale Forschung möglich, jedoch stellt sich auch hier die entscheidende Frage, ab wann menschliches Leben schützenswert ist.
Ein weiterer Diskussionspunkt betraf die Stammzellforschung. Hier musste Prof. Hengstschläger seine Forscherkollegen verteidigen, da ihnen in 10 Jahren noch keine suffizienten Therapieerfolge gelungen sind. Bei an die hunderten in der Pipeline befindlichen FDA Anträgen erscheint es nahezu unverantwortlich, die Forschung auf diesem Gebiet zu unterlassen. Weiters stellt sich die Frage nach potentiellen alternativen Behandlungsmethoden wie Monozyten oder adulte Stammzellen unter Verzicht von embryonalen Stammzellen.
Weiteres Konfliktpotential wurde deutlich, als über die Handhabung befruchteter Eizellen im Rahmen der Reproduktionsmedizin, die nicht in die Gebärmutter implantiert werden, diskutiert wurde. Hier stellte der Theologe Beck die Frage wohin dieser eingeschlagene Weg der Medizin führen wird. Derzeit wird der Kinderwunsch von Eltern befriedigt, aber in Zukunft könnten diese überzähligen Embryonen als „Ersatzteillager“ dienen, obwohl sie selbst zu Individuen heranwachsen könnten (Verzweckung).
Kontroversiell verlief auch die Diskussion zum letzten Themenschwerpunkt: vorzeitiger Schwangerschaftsabbruch/Präimplantationsdiagnostik. Für den Genetiker Hengstschläger ist es nur schwer nachvollziehbar, warum man quasi in Österreich eine Art Schwangerschaft auf Probe mit Tötung des Kindes erlaubt, jedoch die Prämimplantationsdiagnostik derzeit verbietet. Hier schloss sich wieder der Kreis durch die Rückkehr zur Anfangsfrage, ab wann Zellen als Menschen zu bezeichnen sind, bzw. ab wann Leben schützenswert ist.
Es folgte noch eine kurze Publikumsdiskussion sowie zahlreiche angeregte Gespräche in kleineren Kreisen zu einem höchst brisanten Themengebiet.
Zusammenfassend muss nochmals unserem Präsidenten für die Einladung dieser zwei Koryphäen gedankt werden, die uns einen sehr interessanten Einblick in ihre Spezialgebiete gegeben und in einer sehr emotionalen Podiumsdiskussion ihre Positionen verteidigt haben.
Gerd Silberhumer (MJ 1995)