Lade Veranstaltungen

« Alle Veranstaltungen

  • Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden.

Sonderausstellung „1. Weltkrieg“ im HGM Wien

15. September 2014, 18:00 bis 20:00

Sonderführung im heeresgeschichtlichen MuseumDie große Zahl an Interessierten, die sich am 15. September nach offiziellem Museumsschluss vor dem Heeresgeschichtlichen Museum im Arsenal sammelte, um von Museumsdirektor Dr. Christian Ortner, seines Zeichens Altfreinberger, selbst durch die neu gestaltete Sonderausstellung zum ersten Weltkrieg geführt zu werden stellte diesen vor eine organisatorische Herausforderung, überschritt sie doch die sonst übliche Gruppengröße deutlich. Mittels Funkkopfhörern und Mikrofon und der guten Führung Dir. Ortners wurde dies jedoch bravourös gemeistert.
Die Ausstellung wurde anlässlich des heurigen, einhundertjährigen Jubiläums des Attentats von Sarajevo und dem Beginn des dadurch entfachten Krieges neu gestaltet, wobei angesichts der geplanten langen Nutzungsdauer auf übermäßigen Einsatz audiovisueller Medien verzichtet wurde. Angesichts von Haus aus geringer zugesagter, und in Folge weiter reduzierter Finanzierung durch das Ministerium musste die Finanzierung zum allergrößten Teil durch das Museum selbst bewältigt werden; eine Investition, die sich, wie sich zeigen sollte, auf jeden Fall rentiert hat.
Nach dem Uniformensaal beginnt die Ausstellung mit jenem Exponat, das wohl jedem Besucher des Heeresgeschichtlichen Museums lange in Erinnerung bleibt: dem schwarzen, offenem Gräf & Stift-Automobil in dem das Thronfolgerpaar am 28. Juni den Kugeln des Gavrilo Princip zum Opfer fiel. Dieser Wagen, den Franz Graf Harrach im Rahmen des k.k. österr. Freiwilligem Automobil-Korps, wie viele andere Adelige ihre Fahrzeuge auch, den mit Automobilen unterversorgen Streitkräften prestigeträchtig zur Verfügung stellte, war erst unmittelbar vor dem Beginn der Stadtrundfahrt auf Sophiens Wunsch anstatt des ursprünglich geplanten ausgewählt worden, da er im Gegensatz zu den anderen Fahrzeugen bereits das Verdeck geöffnet hatte und sie so den schönen Sommertag genießen wollte.
Der weitere Verlauf der Fahrt durch Sarajevo, bei dem zunächst ein Handgranatenattentat scheiterte, woraufhin die Route nach der Ansprache des Bürgermeisters so geändert wurde, dass sie zu jenem Spital führe, in dem die beim Attentat verletzten versorgt wurden ist weitgehend bekannt: Der ortsunkundige Fahrer des ersten Wagens bog auf der geänderten Route irrtümlich in eine Gasse ab, die anderen Fahrzeuge folgten, und bis der Fehler bemerkt wurde, war auch der Wagen des Thronfolgerpaares in dieser Gasse, in der Gavrilo Princip wartete, zum Halt gekommen. Bis der Wagen reversieren konnte – der Rückwärtsgang war nur von außen zu betätigen – fielen die tödlichen Schüsse.
Den Inhalt der weiteren, in Summe dreistündigen (!) Führung Ortners hier wiederzugeben, oder auch nur zusammenfassen zu wollen würde am Umfang dieser Rundschreibens scheitern, doch seien einige wesentliche, und möglicherweise weniger bekannte Punkte hier hervorgehoben, für alles weitere ist ein Besuch der Ausstellung, wenn möglich mit Führung dringend anzuraten.
Dir. Ortner ging im Zuge seiner Führung auf die vielen Aspekte des Kriegsverlaufes ein, auf die technischen Neuerungen und politischen Entscheidungen ebenso, wie auf die Situation des Einzelnen an der Front, die Lage im Hinterland, die Medien und die gesellschaftliche Stimmung, die diesen Krieg, der von allen Seiten richtiggehend herbeigesehnt wurde, erst möglich machte.
Die österreichisch-ungarischen Streitkräfte, deren Kerntruppen von 1,5 Mio. Mann entgegen der oftmals gelesenen Einschätzung durchaus gut ausgerüstet waren stellten sich auf einen schnellen Krieg am Balkan ein, die folgende Eskalation wurde jedoch nicht vorhergesehen; insbesondere taktische Fehlentscheidungen dezimierten die Truppen anfangs schnell, von Seiten der Führung wurde kein Gespür für die gewaltigen Zahlen an Todesmeldungen, die von der Front kamen, entwickelt. Auch das vielsprachige Offizierskorp, das anfangs noch für einen gewissen Zusammenhalt der Nationen gesorgt hatte, musste bald durch einsprachige Reservisten ersetzt werden. Die rasche Ausweitung des Krieges überforderte die Logistik der Streitkräfte massiv, viele Truppen konnten anfangs nicht an den notwendigen Eisatzort gebracht werden. Am Rande sei erwähnt, dass selbst in der Türkei und in China österreichische Truppen im Einsatz waren. Letztere, weil das österreichische Stationsschiff MS Kaiserin Elisabeth in der deutschen Kolonie Tsingtau vor Anker lag, jedoch nicht mit der deutschen Flotte am Rückweg nach Europa mithalten konnte und daher dort verblieb und die deutschen Truppen gegen China unterstützte.
Ein Aspekt der selten beleuchtet wird, ist der des während des Kriegs in allen eigenen und besetzen Gebieten der Monarchie geltende Standrecht, das insbesondere in Galizien und gegen „politisch unzuverlässige“ Personen hart durchgesetzt wurde – was im Normalfall eine Exekution bedeutete, in minderen Fällen eine Internierung in Lagern. Im gesamten Hinterland, und besonders in den Kriegsgefangenen- und Interniertenlagen war die Versorgungslage bald miserabel, alle verfügbaren Lebensmittel wurden an die Front gebracht, gleichzeitig sank die Produktivität, da Männer und Pferde, die als Zugtiere benötigt wurden, fehlten. Auch Leder fehlte bald ebenso wie Wolle, sodass Kleidung bald aus Fetzen, Brennnesseln und experimentell sogar aus Papier hergestellt werden musste. Diese Situation dieser Zeit bringt Karl Kraus mit dem Gedicht Die Raben im Epilog zu den Letzten Tagen der Menschheit wohl am besten zum Ausdruck: Immer waren unsre Nahrung/die hier, die um Ehre starben./Aber eure Herzenspaarung/macht, daß Raben nimmer darben./[…] Hunger hat uns nie gepeinigt,/seit wir folgen euren Heeren./[…] und wir sind euch sehr verbunden, /daß wir nicht im Hinterlande./Dort ist wahre Not, die Greise/und die Kinder dort verderben,/weil hier auf die andre Weise/uns zum Trost die Männer sterben./Eure Schlachtbank läßt nie darben/ihre angestellten Kunden./Raben haben, seit sie starben,/immer Nahrung noch gefunden.

Details

Datum:
15. September 2014
Zeit:
18:00 bis 20:00
Veranstaltungkategorie: